Liebes Archiv … Einträge vom Dezember 2006

Elf Kilo Schwein für zweihundertachtzig Euro.

untergerechnet auf das Kilo sind das etwa sechsundzwanzig Euro, Schulter und Oberbein oder wie das bei den Borstentieren heißen mag, inklusive Knochen, sollten in dem Karton sein. Eigentlich hatten wir das Thema doch schon längst abgeschrieben, aber gestern kam Mo wieder an. Woher die Lieferung stammte, die in seinem Kofferraum lag, war nicht so klar. Nochmal und nochmal nachgefragt, der Preis blieb derselbe, dreikommadrei Millionen Rial. Wie Rumpelstilzchen wird unser Kollege da rumgetanzt sein, als die kleinen Maulwurfsaugen ihn durch die Brillengläser anschauten, no problem, back, back, sagte Mo und zog mit der heißen Ware wieder von dannen.

[] Parand / Sonntach, 31. Dezember 2006

Winter-Safari.

   
Irgendwann mußte es passieren! Natürlich traf es alle ganz unvorbereitet, wie immer. Gestern nachmittag schneite es für ein paar Stunden und blieb liegen. Am Abend dann krochen wir auf spiegelglatten Straßen nach Hause, heute mache ich einen ausgedehnten Spaziergang durch die zart verschneite Steppe nördlich von Parand. Der Wind pfeift mir um die Ohren, als ich oben auf dem Berg gen Elbrus und Damavand schaue.

[] Steppe Parand / Freitach, 29. Dezember 2006

Auf der Jagd nach dem schönsten Weihnachtsbaum Irans, Teil 2.

Es dauerte ein paar Augenblicke, bevor ich den Ernst der Situation begriff. Allein im finsteren Wald! Ich ließ Axt und Baum fallen und kniete nieder um mein Schicksal zu beweinen. Mit Tränen in den Augen nahm ich die Peitsche mit beiden Händen auf und hielt sie flehend gen Himmel wie man es im Film immer so sieht.
Määääk!!! Ich schreckte hoch und schlug hinten gegen die Kopfstütze. Es nieselte fein durch den Nebel, der wiedermal die Sicht verklebte. Die dank Plastiktüten recht bunte Landschaft zog an uns vorbei. Ich schaute rüber zu Mo, der uns zwei beide in seines Vaters Kleinlaster in die südöstlichen Ausläufer Teherans chauffierte, zu einer Baumschule von der uns grooooße Weihnachtsbäume versprochen worden waren. Einen Tag vorher hatten wir schon mehrere Gärtnereien auf der Suche nach einem präsentablen Weihnachtsbaum abgeklappert, aber die Kultur gutgewachsener voller Wohnzimmertannen wird hierzulande offenbar weitgehend vernachlässigt.
Die Baumschule befand sich in einem Blumenmarkt, wo das Geschäft des Tages schon vorbei war. Wir traten in das feuchtwarme Gewächshaus voller Grün. Doch auch hier keine mannshohen Tannen, wie schade, nur Kinderweihnachtsbäume. Ich drehte sie alle, machte ihnen Platz um sie von allen Seiten zu betrachten, bjutifull, misterrr sagten die Herren um mich herum jedesmal wenn ich einen am Wickel hatte, schließlich fügte ich mich, innerlich schulterzuckend, darein und gab zwei schulterhohen Bäumchen den Zuschlag. Wir stellten sie auf die Ladefläche und zogen leidlich befriedigt von dannen. Eine Sorge weniger.
Am Heiligen Abend versammelten wir verbliebenen Expedierten des christlichen Abendlandes uns um den geschmückten Baum und verputzten das Weihnachtsessen, selbstgebaute Pizza, in Ermangelung der großspurig versprochenen Schweinefilets - aber wer braucht sowas schon?! Und jeden Morgen erwartet uns im Büro der zweite liebevoll dekorierte Zwerg. Frohes Fest (gehabt zu haben).

[] Parand / Mittwoch, 27. Dezember 2006

Schiifoahrn.

   
Hinten links schlägt die Schneekette im Takt an die Verkleidung des Radhauses, als wir die verschneite Straße nach Dizin hochschleichen. Leicht überrascht sind wir, daß der Parkplatz so voll ist und das mit dem Schi-Fahren ist mir immernoch etwas suspekt, kann mich wirklich nicht erinnern, vor wieviel Jahren ich zum letzten Mal auf den Brettern stand. Flugs Schuhe und Schier ausgeliehen, einen Schipaß gekauft und schon stehe ich vor der Piste!
Anfänger wissen, welches Eigenleben Schier plötzlich entwickeln können und wie sie sich dann verknoten oder jedes in eine andere Richtung abhauen will. Die betroffenen Beinmuskeln sind von den ungewohnten Belastungen ziemlich überrascht und gehorchen nicht zur vollen Zufriedenheit. Berg-Schi, Tal-Schi - welcher ist welcher? Tiefschnee? Wie kommt man da wieder raus? Dunkel erinnere ich mich an die Lektionen, die mir unser australischer Schilehrer damals mitgab, Berg-Schi wird Tal-Schi und wieder andersrum, die Piste ist stellenweise etwas buckelig, sodaß mir ein paar Stürze nicht erspart bleiben, ohne schmerzhafte Folgen allerdings.
Davon abgesehen riecht es hier oben nach Freiheit, die wenigen Mädels auf der Piste sehen ganz normal aus, nicht in Burka und Hejab sondern Schneeklamotten und Mützen, sogar fliegende Haare, es gibt doch Leben auf diesem Stück Erde!
Die Sonne senkt sich, die Schatten werden länger, einmal noch die Piste runter, die Sicherheit der Beinkoordination noch einmal auf die Probe stellen, dann die letzte Gondelfahrt und Schluß. Wieder zurück ins schneefreie Steppenkaff. Seufz.

[] Dizin / Montach, 25. Dezember 2006

Auf der Jagd nach dem schönsten Weihnachtsbaum Irans.

In zarten Flocken schwebte der Schnee herab auf den weißbedeckten Wald. Nur die hellen Glocken, die schwer um die Hälse der Pferde hingen, hallten im Takt ihrer Schritte durch die winterliche Stille. Weißer Dampf aus den Nüstern und mürrisches Schnauben, als ich die beiden Tiere zum Anhalten zwang. Mit der frisch geschärften Axt in der Hand sprang ich vom Schlitten, der Schnee knirschte unter meinen Stiefeln. Andächtig ging ich auf die Suche nach dem perfekten Weihnachtsbaum. Ich schaute mich um, schüttelte hier und da den Schnee von den Tannen um sie zu begutachten und geriet immer tiefer in den in winterlicher Lautlosigkeit erstarrten Wald.
Und da stand er: ein Bild von einem Weihnachtsbaum, eigentlich zu göttlich um ihn einfach zu fällen. Ich kniete nieder und band mir den Schuh zu. Ein einsamer Vogel flog erschreckt auf und tschilpte erbost. Ein kräftiger Hieb und aller Schnee fiel von den Ästen, der Baum glitzerte im Licht der Nachmittagssonne, fast hörte ich schon die Glocken klingen. Ich schüttelte mich. Noch ein paar Hiebe und der nadelige Geselle war mein.
Ich griff ihn an seinem prächtigen Stamm und zog ihn hinter mir her zurück den Weg den ich gekommen war zu der Stelle wo ich den Schlitten abgestellt hatte. Doch vom Schlitten war nichts zu sehen, nur die blutige Peitsche färbte den Schnee. … Fortsetzung folgt vielleicht.

[] Parand / Sonntach, 24. Dezember 2006

Gestalten im Nebel.

    
   

[] Jamshidijeh Park, Teheran / Freitach, 22. Dezember 2006

Schöner sterben in Parand.

erbringen Sie Ihre letzten Stunden in angenehmer Atmosphäre bei gedämpftem Licht und entspannender Musik. Großzügige Räumlichkeiten in gediegener Ausstattung erwarten Sie. Nur noch diesen Winter!
Narges-Gasse XX, Parand New City. Eingang über den Hof.
Wenn es eine Zeitung für Insekten gibt, erscheint diese Kleinanzeige unter der Rubrik Sterbehilfe. Auch für Insekten ändern sich die Zeiten. Früher, ja früher, da starb man noch wie ein Männchen draußen im Felde, bis ein ehrgeiziger Jungunternehmer diese Nische entdeckte und mit viel Geschick zu vermarkten begann - auf meine Kosten. Die Zielgruppe indes wird immer jünger, je älter der Winter wird. Maßen die Heimchen vor ein paar Wochen noch um die drei Zentimeter, erreichen meine Wohnung jetzt nur noch solche unter einem Zentimeter. Wird hier wiedermal die Jugend durch skrupellose Geschäftemacher verzogen? Stirbt man hier doch aus Langeweile? Oder sind die Zeiten wirklich so hart für kleine Insekten?
Wie auch immer, nun liegen sie hier rum in allen Ecken, machen ihre letzten Atemzüge und versteifen. Woher sie kommen ist mir immernoch ein Rätsel - wo ist der Eingang wirklich? Ohne Besen oder Staubsauger bleiben die leeren Hüllen auf den Fliesen verstreut, denn die Putze schafft gerade mal, meine Bettdecke geradezuziehen und den Abwasch in der Spüle aufzutürmen. So sieht's doch aus! Und die geneigte Leserin schüttelt angewidert ihr Haupt... Kerle! Unsere verbogene Psyche klären wir bitte ein andermal.

[] Parand / Dienstach, 19. Dezember 2006

Bei den Armeniern.

      
Da stehst du vor dem Schaufenster und denkst du bist in Kitschistan, aber nee, is Iran, Teheran! Ein weißer Jahresendbaum mit riesigen Polyesterschneeflocken im einen und ein bunt geschmückter im anderen Fenster, der nervös blinkt. Es weihnachtet!
Auf dem Gehweg stehen die unkaputtbaren Tannen und Fichten und Wolpertinger Spalier, handlich stapelbar in Kartons, gebaut dort, wo man weiß was Weihnachten ist.
Wir treten ein in die festliche Stube und schauen uns verdutzt um. Erst jetzt beginnt das Gefühl in mir zu reifen, daß es auf das beliebte Familienfest zugeht. Wohlsortiert und sehr uniranisch sieht es hier aus. Die Jungs packen ein paar rote Kugeln und Lichterketten ein, Minimalismus ist der Trend in diesem Jahr. Ich schnappe mir zwei Stumpenkerzen.
Dann schauen wir uns draußen mal genauer nach Bäumen um. Fast haben wir das Sonderangebot von hunderttausend Toman für einen stattlichen Unkompostierbaren angenommen, da wird Herr Ali wieder wach und will uns dahin fahren, wo in heimischer Erde gewachsene Nadelträger verkauft werden. Also los!
Und da kommt wieder der iranische Faktor ins Spiel: dreimal fragen und drei verschiedene Antworten bekommen. 1. Bäume erst am Samstag, 2. echte Bäume sind behördlich verboten, 3. die Dinger kann man jederzeit da-und-da kaufen. Die letzte Information ist die am zuverlässigsten erscheinende, also gedulden wir uns noch einige wenige Tage und lassen uns die Adresse geben. Alles geht!

[] Teheran / Dienstach, 19. Dezember 2006

Es weihnachtet sehehr.

ling-kling, die Weihnachtsglöckchen begleiten die letzten Einkäufe für die Lieben, heimelige Musik überall, der allgegenwärtige Weihnachtskram geht einem inzwischen garnicht mehr auf den Sack, nein, dieses Jahresendgefühl stellt sich ein, man denkt an die vielen freien Tage, die Ruhe und Gemütlichkeit, die Gans mit Rotkohl und Klößen. Draußen auf dem Balkon wartet der Baum auf seinen Einsatz, heimlich werden die Pakete geschnürt.
Gerade habe ich meinen Heimflug umgebucht - auf den dreiundzwanzigsten Februar. Heute nacht hat es zum zweiten Mal geschneit. Wir haben das persische Wort für Tanne gefunden und jemanden, der weiß wo man Baumschmuck und solche Sachen kaufen kann, die Armenier und anderen Christen brauchen sowas ja auch. Im deutschen Konsulat in der Hauptstadt soll es zum Fest irgendwelche Feiern geben. Vom Geschenkekaufen bin ich befreit. Also, frohes Fest.

[] Parand / Montach, 18. Dezember 2006

Cheyli Barf!

Durch das zugekleisterte Awali, wo - wie in allen Städten - Kommunal- und Expertenratswahlen stattfinden, rasen wir am Freitagvormittag gen Ab Karm (das sich Ab Kerm spricht). Der Himmel ist gnädig und schickt uns die Sonne direkt herunter, als wir die schneebedeckten Berge erreichen. Wieder einmal hat sich mein Reisevorschlag durchgesetzt, allerdings sind wir auch nur zu dritt. Warum? Tja, die Gegend kennen wir schließlich schon. Und nun, da der vielbesungene Berg so direkt und unverhüllt vor uns steht, lasse ich mich fast von Mo beirren, der sagt, no no, no damavand!
Die Schneeketten umständlich auf die Sommerreifen geschnallt, schieben wir uns die verschneite Straße hoch bis nichts mehr geht. Kein heißes Bad? Schnüff. Wirklich?
Oh, dreißig Kilometer Umweg? Na und, warum haste das nicht gleich gesagt?! Also eiern die Jungs im Rückwärtsgang die ganze Strecke zurück, kein Platz zum Wenden! Welche Ruhe, als sie weg sind! Ich mach wieder tausende Fotos, blau und weiß sind fast die einzigen Farben. Kann immer noch nicht ganz glauben, daß der Damavand sich heute so exhibitionistisch gibt. Und kein Schwein hier außer uns!
Weiter runter die Serpentine und ein paar Kilometer später wieder hoch. Hier rastet und rostet der urzeitliche Riesen-Kleinbus, muß bei den Ausmaßen was Amerikanisches sein.
Wir erreichen unser Ziel und finden auch unseren deutschsprechenden Irani Ali, den wir beim letzten Mal kennengelernt hatten. Wir mieten uns ein Bad und nehmen ein heißes solches, das ham wir uns verdient. Der Blick über die Dächer gefällt. Und ich, das Zünglein an der leicht zu manipulierenden Waage, gebe den Anstoß, dieses Schandescht (oder so) doch noch anzufahren, obwohl es eigentlich schon etwas spät ist. Dort soll eine zweitausendfünfhundert Jahre alte Festung hoch im Fels thronen und daneben ein Wasserfall. Das bekommt die Kamera schon nicht mehr mit, nach dem Durchqueren des Friedhofes (wie ist es wohl, mit Blick auf den Damavand beerdigt zu sein?) steigt sie aus. In dem stillen Bergdorf ist jedenfalls keine Seele, im Winter ziehen die Leute in ihre Häuser unten in Amol oder Teheran.
Es wird dunkel, wir machen uns auf den Rückweg und landen natürlich wieder im Stau, je länger, desto näher wir der Hauptstadt kommen. Aber wir belohnen uns mit einem Besuch im Restaurant Rafabess, wo es ja letztens lediglich Kebab gab. Doch abends ist der Tisch reich gedeckt, nur vom Feinsten! Nach zwei Vorspeisen, einem Steak und der Mousse au Chocolat muß der doppelte Espresso unbedingt oben drauf. Gemästet wie die Weihnachtsgänse kehren wir zurück nach …
Und die Kamera? Hat sich gnädigerweise vollständig erholt.

[] Ab Karm / Freitach, 15. Dezember 2006

Bananensteak.

Nein, es ist kein Schwein, es ist gut gereifte Banane in selbstzerprügeltem Fladenbrot. Das staubtrockene Brot ins Küchentuch gewickelt und immer gib ihm, bis der Fleischklopfer mir um die Ohren fliegt, als der Griff sich löst. Die Krümel sind noch recht unterschiedlicher Körnung. Dann das reichlich geschmacklose iranische Olivenöl in die Pfanne, für diesen Fall ist es brauchbar, die Bananenhälften in Ei und dem Fladenbrösel gewälzt und rein ins Warme. Brutzeln lassen bis sie braun und weich sind. Dann auf den Teller, ordentlich Honig drauf, fertig ist der chinesische Nachtisch, die größeren Brotkrümel geben dem Ganzen etwas Knuspriges. Nach dieser Freßorgie einen gut durchgewärmten Schluck aus der neuen Pulle mit dem schwarzen Etikett, nicht mein Geschmack, Fernsehwhisky. Dabei ein bißchen philosophieren über die Pizza, die ohne zusätzliche Würze nach nix geschmeckt hat. Der Tag geht. Und noch ein Glas.

[] Parand / Donnerstach, 14. Dezember 2006

Eisbein beim Chinamann.

Meilensteine müssen begossen werden, aber was macht man in einem Land, in dem flüssige Spaßmacher verboten sind? Man frißt sich stattdessen bis zum Erbrechen voll. Und vergißt dann, den kleinen leuchtenden Weihnachtsbaum in der Gaststube zu fotografieren. Der Chinamann als Bastion westlicher Feiertradition. Zu sechzehnt fielen wir dort ein und machten unseren letztwöchigen Eindruck einer geordneten Speisewirtschaft zunichte. Iranisches Chaos herrschte, als es an die Verteilung des Essens ging, die Futterträger waren heillos überfordert von unseren Einzelbestellungen, während wir der wehenden Gardine zusahen, an der vorbei die kalte Luft um unsere Beine strich. Du sollst nicht vergessen, wo du bist. Geschmeckt hat's trotzdem.

[] Parand / Dienstach, 12. Dezember 2006

Schuhtick.

   
   

[] Steppe Parand / Freitach, 08. Dezember 2006

Leben in der Steppe.

   

[] Steppe Parand / Freitach, 08. Dezember 2006

Früher war alles besser.

ehnt sich nicht jeder manchmal seine jugendliche Naivität zurück?
Erst heute abend habe ich verstanden, daß Madonna damals auch recht menschliche Probleme plagten, als sie Rat wegen eines ungeplanten Kindes suchte.
In jungen Jahren hielt ich die Sprache der Musik für etwas Elitäres und versuchte garnicht so sehr, sie zu ergründen, wahrscheinlich um ihre Magie nicht zu zerstören. Was will der Künstler uns damit sagen? Diese Frage habe ich mir mit Hilfe meiner seinerzeit noch recht lebendigen Phantasie beantwortet.
Die frühe Selbstbezichtigung des bleichesten Afroamerikaners der Popgeschichte entlockte mit nur ein verständnisloses Stirnrunzeln. Wie man China in der Hand hält oder Marmelade aufpumpt, blieb mir rätselhaft. Und was lila Regen ist und was ein manischer Montag, weiß ich bis heute nicht. Und solange mir ihr Sinn verborgen bleibt, kann ich eine gewisse Multi-Tasking-Fähigkeit aufrechterhalten, was mir erlaubt, gleichzeitig Musik zu hören und zu schreiben oder zu lesen. Springt mir ein deutscher Satz ins Ohr, ist es damit vorbei. Daher bin ich kein regelmäßiger Konsument deutscher Musik.
So bin ich tatsächlich froh, daß es mir mit der Musik wie 50 Prozent der Deutschen mit englischsprachigen Werbebotschaften geht. Denn immer öfter muß ich jetzt erfahren, wie ernüchternd die Entzauberung der fremdartigen Worte ist und denke entrückt an früher, als ich noch nicht durchschaute, daß überall nur mit schnödem Wasser gekocht wird.

[] Parand / Mittwoch, Nikolaus 2006

Geopfert.

Heute haben wir also erstmals den alten Bibelspruch Geben ist seliger denn Nehmen in elektrische Leistung umgesetzt. Das Erreichen dieses für einige der Beteiligten besonders bedeutenden Meilensteins wurde daher mit eher heidnisch wirkenden Riten zelebriert. Während anderswo der Geistliche das zu segnende Objekt mit Weihwasser besprenkelt oder Kokosnüsse daran zerschlägt, wurden wir mit dem Meucheln eines Schafes überrascht. Damit sollte dem weiteren Gedeihen unserer Arbeit am ersten der drei Eisenschweine nichts mehr im Wege stehen. Inshallah.

[] Parand / Mittwoch, 06. Dezember 2006

Sex-Skandal in Teheran.

aß die DVD zehn Euro kostet, ist ein Märchen, tausendfach kopiert macht ein für unsereins unspektakuläres Schlafzimmerfilmchen die Runde. Fundamentalisten sind in Aufruhr, der Westen versaut unsere Kinder! Der gefürchtete Justizminister fordert schon die Steinigung, alles nur weil der Junge vergessen hatte, den kleinen privaten Streifen von der Festplatte zu löschen, bevor er das Laptop verkaufte. Oder war es doch Rache an ihr? Wofür? Das Seifensternchen kann die Karriere wohl an den Nagel hängen, auch wenn sie behauptet, sie sei nicht die Protagonistin des Films.
Selbst wenn man nicht damit erwischt werden will, aufgeklärte junge Iranis halten den Aufruhr insgeheim für lachhaft - versuchen hier wieder halsstarrige Ewiggestrige ihre Prinzipien durchzufechten? Ich werde weiter investigieren.

[] Parand / Dienstach, 05. Dezember 2006

Kamingedanken.

Ich sitze im Sessel am meinem Gaskaminofen, die riesige Gasflasche neben mir, zarte Musik im Ohr, Kerzenlicht, habe gerade - endlich! - das Buch beendet nach monatelanger Leseblockade und es nicht bereut, nun gilt es jedoch einen würdigen Nachfolger zu finden.
Auf dem Ofen das unwürdige blaue Saftglas mit dem edlen Tropfen - (offenbar) echtem schottischen Whisky - um ihm sein Aroma zu entlocken. Whisky ist ein Wintergetränk und dieser hier nichts zum Runterstürzen. Die Flasche - Schmuggelware und eigentlich wollte ich kein überflüssiges Wort darüber verlieren - steht, eingepackt in die Kleinanzeigen einer örtlichen Zeitung, auf dem Kaminsims - unsichtbar und auffällig, wie die dezenten braunen Papiertüten, in denen da übern Teich spirituelle Getränke offen versteckt werden.
Damals, in Schottland, nach üppigem Abendessen am Hotelkamin sitzend, begann ich, Geschmack an dem braunen Destillat zu entwickeln, probierte verschiedene Sorten, und derer gab es viele, der irische, ganz ohne diese rauchige Note, dieses Kratzen im Hals, was den schottischen oft kennzeichnet, ist mir der liebste geworden. Übrigens ist mit einem kleinen Tropfen Wasser das Rauchige in den Griff zu bekommen, was durchaus keine Vergewaltigung am edlen Tropfen darstellt.
Beschert mir der iranische Winter da draußen also doch noch eine Rückbesinnung auf intelligenten Zeitvertreib, dank Gasofen - der Allmächtige gebe daß der Brennstoff nicht zu Ende geht - und dem geistreichen Tropfen?

[] Parand / Freitach, 01. Dezember 2006

Barf!

Barf-Regen für Teheran war die Wettervorhersage. Wir sind immer noch nicht ausreichend für den Winter im Barf ausgerüstet, was machen wir also an einem Freitag wie diesem? Genau, Rauschkaufen, infizieren uns gegenseitig, Sachen zu kaufen die wir nicht brauchen oder schon haben, weils ja -ach!- so billig ist. Auch ich hab mich anstecken lassen, noch ein paar Handschuhe hier und eine -inshallah!- wunderbare Haiteck-Wetterjacke da und eine Mütze, es fehlt noch die (Ski-)Hose (nachdem ich eine anprobiert und nicht gleich gekauft habe, ist der Verkäufer offenbar verbal in Farsi entgleist, so hat Herr Ali mir versucht zu sagen) und fette Schuhe. Aber die besten Läden haben am Freitag zu.
Mittag? Zum Mexikaner! schlugen Mo und Herr Ali vor - die beiden sind nun schon lange unsere Freitags-Stammfahrer und ganz zufrieden mit uns Abenteurern glaub ich -, auf der Fahrt -nur zwanzig Minuten!- wildes Telefonieren: Umleitung zum ->Chinesen! dem wo Herr Ali uns schon lange hinschleppen wollte.
Gerade sind wir beim ersten Gang, Barf! Erst langsam, dann barfte es sich ein, der Himmel war schon so komisch grau gewesen, der Wetterbericht lag also gar nicht falsch. Klasse! Der erste Advent kann kommen! Ich versöhnte mich mit den Frühlingsrollen, gegen die ich irgendwann einmal eine gewisse Antipathie entwickelt hatte, ließ mir die Ente schmecken und danach die fritierte Banane und den Maschinen-Espresso. Es barfte weiter.
Die Kollegen waren danach garnicht mehr im Kaufrausch, wollten nur noch zurück in die Jurte. Wir machten uns also befriedigt auf den Rückweg, als wir sahen, wie die Sonne sich gerade bei leichtem Barfen durch die Wolken zu brennen versuchte, das schrie nach einem Umweg, Ausblick und Barfballschlacht. Ich beschäftigte mich nur mit der Kamera -bin ich jetzt zu alt um wehrlose Barfbälle zu schlachten?- während die jungen Burschen sich einseiften und die rote Sonne hinter undurchdringlichen Wolken verschwand. Der Mond zeigte sich schon auf der anderen Seite des verhangenen Himmels und die Bande war müde. Also, wieder einmal: zurück ins Kaff!

Barf? Ist Schnee auf Farsi, was sonst!?

[] Teheran / Freitach, 01. Dezember 2006

...und hier geht's weiter in die Vergangenheit.